BLAULICHT

Krawallbrüdern droht Knast - und die Abschiebung

lw; 25.04.2024, 18:02 Uhr
Archivfoto: OA.
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Krawallbrüdern droht Knast - und die Abschiebung

lw; 25.04.2024, 18:02 Uhr
Waldbröl – Dem 18-jährigen und dem 21-jährigen Irakern werden unter anderem Beleidigung, Raub und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen – Nächste Woche gibt es das Urteil.

Von Lars Weber

 

Im Prozess gegen zwei irakische Brüder am Amtsgericht Waldbröl (OA berichtete hier und hier) ist es auch am dritten Verhandlungstag noch zu keinem Urteil gekommen. Das Jugendschöffengericht um den Vorsitzenden Richter Carsten Becker benötigt ausreichend Zeit für die Beratungen nach den Plädoyers, die heute bereits gehalten worden sind. Deshalb gibt es für die Verkündung des Urteils in der kommenden Woche am 2. Mai einen weiteren Termin. Klar ist: Angesichts ihrer Vergangenheit wird das Gericht bei Hamza und Amir H. (Anm.d.Red.: Namen geändert) nicht um eine Jugendstrafe umhinkommen. Dem 21-Jährigen und dem 18-Jährigen wird von der Staatsanwaltschaft unter anderem Bedrohung, Beleidigung, Diebstahl, gefährliche Körperverletzung und Raub vorgeworfen.

 

Zwei Zeugen waren heute noch geladen gewesen. Eine 15-jährige Schülerin sollte demnach dabei gewesen sein, als am 4. Oktober vergangenen Jahres unter anderem ein 16-jähriger Waldbröler zu Schaden gekommen sein soll. Dieser soll mit Freunden auf die Gruppe um Hamza H. getroffen sein. Dem 16-Jährigen und einem weiteren Jungen sollen unter Bedrohung Bargeld, EC-Karte und auch AirPods abgenommen worden sein, Hamza H. soll einen der Geschädigten getreten haben. Das Mädchen konnte sich allerdings nicht mehr an viel erinnern und nicht zur weiteren Klärung beitragen.

 

Auch der zweite Zeuge hatte wenig Neues zu einem Vorfall vom 10. Oktober am Waldbröler Jugendzentrum (JUBS) im Hahner Weg beizutragen. Dort hatte ein Kumpel von ihm Hamza H. verweigert, sich ein Bier aus einem Kasten zu nehmen. Daraufhin soll der 21-Jährige den Geschädigten geschlagen und – als dieser die Flucht zu seinem Auto antritt – ihm gefolgt sein, um ihm weitere Schläge zu verpassen. Der Zeuge bestätigte den ersten Teil des Geschehens. Hamza H. habe seinem Kumpel mit der flachen Hand mehrmals ins Gesicht geschlagen, „vier oder fünf Mal“. Der Iraker hätte „einen sitzen gehabt“. „Ich glaub, er hat geschlagen, weil er sich respektlos behandelt fühlte.“ Was am Auto passiert sei, habe er nicht mehr gesehen. Nicht erkannt bei der Sache hatte er Amir H., weshalb seine Beteiligung an dieser Tat nicht weiter verfolgt und eingestellt wurde.

 

Nachdem bei der vergangenen Sitzung mehr auf die Vergangenheit und die Vorstrafen von Amir H. eingegangen worden war, ging es dieses Mal um seinen großen Bruder.  Der 21- Jährige ist seit rund acht Jahren in der Bundesrepublik. Einen Abschluss hat er nicht erreicht. Gearbeitet habe er nach der Schule bei verschiedenen Leihfirmen. Daneben fiel er immer wieder polizeilich auf, so richtig ins Kontor schlägt dann die bisher einzige Verurteilung vom Amtsgericht Gummersbach für rund 20 Taten, von Diebstahl über Raub, räuberischerer Erpressung über gefährliche Körperverletzung bis hin zu versuchten schwerem Raub. Ein Jahr und zehn Monate bekam er, es sollte aber zunächst seine Entwicklung abgewartet werden vor einer Vollstreckung.

 

Konflikte prägten bislang das Leben von Hamza H. – mit seinen Eltern, mit dem Gesetz, mit der Einstellung zu Arbeit. Eng verbunden ist er mit seinen insgesamt fünf Brüdern. Diese „tun sich nicht gut“, erzählte die Bewährungshelferin und meinte damit vor allem Amir und den nächstjüngeren, zwei ältere sitzen schon im Gefängnis. Wenn einer in einen Konflikt gerate, seien die anderen beiden sofort dabei, ob sie dies für schlau hielten oder nicht. „Da ist ein großes Ehrgefühl.“ Probleme hat Hamza H. außerdem mit Alkohol und zumindest zeitweise mit Kokain. Immerhin: Seine zweite Zeit in einer JVA nach seiner Verhaftung in U-Haft gestalte er nun positiv. Er halte Regeln ein und hat sogar eine Ausbildung zum Maurer gestartet.

 

Sehr ausführlich resümierte die Staatsanwaltschaft bei ihrem Plädoyer die vorangegangene, komplexe Beweisaufnahme. Nicht in allen Fällen konnten dabei die Vorwürfe aus der Anklageschrift bestätigt werden. Es blieb aber trotzdem eine lange Liste übrig. Die Taten wurden von den Brüdern teils auch eingeräumt, auch wenn sie meist eine ganz andere Sicht auf die Dinge hatten als die Geschädigten: Diebstahl, gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung in mehreren Fällen, schwerer Raub bei Amir H., gefährliche Körperverletzung, gemeinschaftlicher Raub sowie räuberische Erpressung und Diebstahl bei seinem Bruder.

 

Die Staatsanwaltschaft machte deutlich, dass beiden die Abschiebung drohen könnte. „Die Ausländerbehörde schreibt uns ständig und fragt nach dem Stand des Verfahrens.“ Die meisten Taten seien motivlos gewesen, „Gewaltdelikte mit größtenteils fremden Opfern, einfach, um in einer Dorfstruktur den Machtanspruch zu demonstrieren". Da werde manchmal Freundlichkeit vorgespielt, um drei Minuten später das Messer zu zücken. Möglichkeiten, sich zu bessern, hätten beide gehabt. Die Staatsanwaltschaft forderte für Amir H. drei Jahre und vier Monate Jugendstrafe und für Hamza H. vier Jahre und zwei Monate. Der Haftbefehl für Amir H. sollte zudem wegen Fluchtgefahr aufrechterhalten werden.

 

Der Verteidiger Amirs stellte noch infrage, ob man bei manchen Taten wirklich von gefährlicher Körperverletzung sprechen könnte. Bei einem Fall zog er zudem die Aussagen des Geschädigten sehr in Zweifel. „Man könnte auch sagen, er hat gelogen.“ Das geforderte Strafmaß war ihm zu hoch. Er bat um eine milde Strafe und die Aufhebung des Haftsbefehls. „Mein Mandant ist in Waldbröl verwurzelt, hat hier seine Freundin, ich glaube nicht, dass er abhaut.“ Der Verteidiger von Hamza H. machte es noch kürzer. Er hob die gute Entwicklung hervor mit dem Ausbildungsstart im Knast und beantragte, dass mehr als drei Jahre Jugendstrafe auch reichten.

 

Das Urteil gibt es nächste Woche.   

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